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Es war einmal ein kleiner Vogel. Er wohnte mit seiner Familie in einem sicheren Nest weit oben in den Ästen einer alten Eiche. Dicht an dicht saß der kleine Vogel mit seinen Geschwistern im Nest und wartete mit weit aufgesperrtem Schnabel darauf den nächsten Wurm zu bekommen. Die Eltern waren stets unterwegs auf der Suche nach Nahrung für ihre Kleinen. Diese warteten ungeduldig im Nest auf die Rückkehr ihrer Eltern. Freudig und aufgeregt piepsend empfingen sie sie dann. Da die Vögel immer größer wurden, somit auch ihr Hunger und es schon sehr eng im Nest war, meinten die Eltern eines Tages, dass der Nachwuchs nun endlich Unterricht im Fliegen bekommen sollte. Es wurde Zeit für die Vögel das vertraute Nest zu verlassen und flügge zu werden.

Alle waren aufgeregt. Die kleinen Nesthocker hatten die anderen Vögel schon beobachtet, wie sie scheinbar schwerelos durch die Luft flogen und konnten es kaum erwarten ebenfalls in die unendliche Freiheit des Himmels entlassen zu werden. Nur Anton, der kleinste Vogel, hatte gar nicht den Wunsch das Fliegen auszuprobieren. Er fand es hier im Nest viel gemütlicher und sicherer. Warum sollte er seine traute Umgebung verlassen und sich in die unbekannte, fremde, unsichere Ferne begeben? Er fühlte sich hier in seinem Nest umgeben von seiner Familie sehr wohl …

Nun hüpfte ein Vogel nach dem anderen mutig an den Rand des Nestes. Die Eltern gaben Anweisungen, die kleinen Vögel flatterten mit den Flügeln und verließen der Reihe nach das Nest. Stolz, mit etwas Wehmut blickten die Eltern ihrem Nachwuchs hinterher. Alle, außer Anton. Anton saß ängstlich im Nest, steckte seinen Kopf ein und hoffte, dass ihn niemand sah. „Was ist mit dir, Anton!?“, wollte Vater Vogel wissen. „Willst du es nicht auch mit dem Fliegen probieren? Du bist stark genug, deine Flügel tragen dich … Vertraue darauf!“ „Nein, ich bleibe lieber hier im Nest!“, sagte Anton bestimmt. „Aber die Welt da draußen bietet so viele wunderbare Überraschungen, neue Erfahrungen und aufregende Momente. Du weißt gar nicht, was du da alles versäumst …!“, versuchte Vater Vogel dem Kleinen Mut und Zuversicht zuzusprechen. Etwas Neugierde überkam Anton schon, aber dennoch entschied er sich lieber in seinem sicheren Nest zu bleiben. Mama Vogel meinte zu Papa Vogel: „Na, der kleine Anton ist vielleicht noch nicht so weit. Gib ihm noch ein paar Tage Zeit. Wenn seine Geschwister dann von der großen, weiten Welt erzählen, dann wird er schon neugierig werden und das Nest verlassen …“

Aber Tag um Tag verging und Anton traute sich einfach nicht los zu fliegen. Hunderte Male stand er am Rand des Nestes, die Flügel zum Abflug bereit. Dann überkam ihn die Angst und er trat den Rückzug in sein geschütztes Nest an. Seine Eltern waren schon krank vor Kummer und Sorge, wussten sich keinen Rat mehr, wie sie Anton das Fliegen beibringen könnten. Jedes Mal, wenn Anton am Rand des Nestes stand, überkam ihn die Angst. Er fragte sich, was wäre, wenn seine Flügel ihn nicht tragen, wenn ein Windstoß ihn erfassen und er in Sturm und Regen kommen würde? Was wäre dann? Die Angst lähmte ihn, machte ihn unfähig seine Flügel auszubreiten, ließ ihn versteinern und machte ihn handlungsunfähig. Er beneidete alle anderen Vögel um ihren Mut, ihr Vertrauen in die eigenen Flügel und ihre dadurch gewonnene Freiheit. Wie gerne wäre Anton mit seinen Geschwistern und Freunden durch die Lüfte geflogen, hätte er die Welt von oben beobachtet und neue Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt … Er war sehr traurig darüber, aber keiner wusste einen Rat …

Da hatte der alte, kluge Opa Vogel eine Idee … „Was wäre, wenn wir ein großes Netz weben und es ein Stück unterhalb des Nestes befestigen würden, ob Anton sich dann trauen würde?“ Die anderen Vögel fanden, dass es zumindest einen Versuch wert wäre …
Gesagt getan. Anton stand nun am Rand des Nestes und flatterte wie wild mit den Flügeln, lehnte sich nach vorne, mit dem Wissen im Hinterkopf, dass das Netz in auffangen würde, falls er fallen würde. Nun ja, und der erste Versuch klappte wirklich nicht. Er purzelte aus dem Nest und befand sich im freien Fall, aber er fiel nicht ins bodenlose … Das Netz das seine Familie und Freunde aufgespannt hatten fing ihn sanft und sicher auf. Allen stockte der Atem. Ob sich Anton wohl verletzt hatte? Anton lag zuerst regungslos da. Dann rappelte er sich auf, richtete sich sein zersaustes Federkleid und sah etwas enttäuscht drein. Doch bevor er noch was sagen konnte, meinte Opa Vogel: „Macht nichts, Anton. Beim nächsten Mal klappt es bestimmt!“ Vater Vogel half dem kleinen Fluganfänger wieder ins Nest und da nun alle voller Erwartungen waren und Anton sich über das Sicherheitsnetz bewusst war, wollte er noch einen Versuch wagen. Er trat wieder an den Rand es Nestes, breitet die Flügel aus und hob ab … Er flog davon, seine Flügel trugen ihn. Er fühlte sich stark und sicher in der Luft. Es war wunderschön die Erde von oben zu sehen, diese Freiheit war ein unbeschreibliches Gefühl. Die Tatsache, dass Anton über seinen eigenen Schatten gesprungen war, das schier Unmögliche möglich wurde, erfüllte ihn mit Stolz und Freude. Es war so schön, dass seine Freunde und seine Familie an ihn geglaubt hatten, ihn unterstützt und ihm Mut gemacht hatten, ihn auffingen, als der erste Versuch schief ging. Anton fühlte in diesem Moment große Dankbarkeit, Freude und Zuversicht. Wie schön es doch war, solche liebevollen Begleiter an seiner Seite zu haben!

Ich wünsche euch ebenfalls viele liebe Menschen an eurer Seite. Mögen sie sich mit euch freuen über die schönen Dingen im Leben und euch begleiten und tragen durch die schweren Zeiten.
Gleichzeitig möchte ich mich mit diesem Märchen bei allen bedanken, die mich auf meinem Weg begleiten, die immer ein offenes Ohr für meine Gedanken, Wünsche, Sorgen und Ängste haben. Ich bin unendlich dankbar dafür. Schön, dass es euch gibt!

Herzlichst

Cornelia