Es war einmal eine Prinzessin. Normalerweise tragen Prinzessinnen schöne Kleider, haben ihr Haar ordentlich gekämmt und sind wohl erzogen. Aber diese Prinzessin war anders. Ihre Eltern wohnten zwar in einem wunderschönen Schloss, besaßen alle Reichtümer, die man sich nur wünschen konnte und waren einflussreich. Das Zimmer der Prinzessin war voll mit Spielzeug, der Kleiderschrank war bis obenhin mit schönen Kleidern bestückt und jeder Wunsch wurde der Prinzessin von den Augen abgelesen. Und dennoch fand die kleine Prinzessin keinen Gefallen an all dem.

Am liebsten schlüpfte sie in ein Kleid, das schon etwas abgetragen war und machte sich barfuß auf den Weg. Sie lief über Stock und Stein in den nahe gelegenen Wald und kam Stunden später zersaust und mit schmutzigen Füßen wieder in das Schloss zurück. Die Mutter machte sich Sorgen um die kleine Prinzessin und sagte zu ihrem Mann: „Was sollen wir bloß mit unserer Tochter machen!? Sie sollte lieber im Schloss bleiben, ordentlich gekleidet und gekämmt sein und ihre Zeit mit Puppen spielen und tanzen verbringen.“ „Ach,“ meinte daraufhin der Prinz „Lass der kleinen Prinzessin doch ihre Freiheit. Ich habe den Eindruck, dass es ihr gut geht und früh genug wird sie noch mit dem Leben hier im Schloss vertraut gemacht werden.“

Die Jahre vergingen und die kleine Prinzessin wuchs zu einer jungen, schönen Frau heran. Sie hatte gelernt, sich an gewisse Richtlinien und Vorstellungen zu halten, die im Schloss galten. Trotzdem spazierte sie so oft es ihre Zeit erlaubte in den Wald, setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm und lauschte still und aufmerksam dem Gezwitscher der Vögel oder sie beobachtete die Libellen, wie sie in der Abendsonne über den kleinen Tümpel im Wald tanzten. Dabei tauchte sie ihre Beine ins kühle Nass und die letzten Sonnenstrahlen berührten sanft ihre Haut. Für die Prinzessin war der Wald, der kleine Tümpel und das Konzert der Vögel eine wunderbare Möglichkeit sich vom Alltag auszuklinken, innere Ruhe, Frieden und Gelassenheit zu finden um dann wieder gestärkt und ausgeglichen den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu sein.

Als die Prinzessin so gedankenverloren und in sich gekehrt da saß, sprach sie plötzlich ein junger Mann an. „Wer seid Ihr!?“, wollte er wissen. „Ich beobachte Euch schon eine ganze Weile, aber es ist ungewöhnlich jemanden so still und tatenlos hier im Wald anzutreffen, wo sich doch das Leben außerhalb des Waldes abspielt! Was macht Ihr hier!?“
Die Prinzessin war etwas erschrocken. Noch nie hatte sie hier im Wald jemanden angetroffen. Der junge Mann schien weder ein Auge für die Schönheit der Natur zu haben, noch ein Ohr für das Vogelgezwitscher. Bevor die Prinzessin antworten konnte, meinte der Unbekannte: „Ich kann Euch auf meinem Pferd mitnehmen und zurück in die Stadt bringen!“ „Oh!“, sagte die Prinzessin überrascht „Wie wäre es, wenn Ihr Euch kurz Zeit nehmt und Euch zu mir setzt!?“ Der junge Mann willigte nur ungern in den Vorschlag der Prinzessin ein. Er sah keinen Sinn darin in die Luft zu starren und dabei seine Füße in den Tümpel zu strecken. Er glaubte, er könnte in der Stadt etwas wichtiges versäumen. Widerwillig setzte er sich aber dann doch an die Seite der Prinzessin.

„Schaut doch dort drüben, seht Ihr das scheue Reh im Gebüsch?“ Still saß der unbekannte Jüngling neben der Prinzessin und beobachtete. „Und hört nur, das schöne Abendkonzert der Vögel!“ Konzentriert lauschte der junge Mann. „Seht Ihr über dem Wasser den bezaubernden Tanz der Libellen?“
Der Unbekannte traute seinen Augen und Ohren nicht. Wie wunderschön doch dieser Fleck der Erde war. Oft war er schon durch den Wald geritten, hatte keinen Blick nach links oder rechts verloren, nur um möglichst schnell ans andere Ende des Waldes zu kommen und sein Ziel zu erreichen. Wie viele Dinge er übersehen hatte, weil er sich keine Zeit nahm den oft unscheinbaren Kleinigkeiten einen Blick zu widmen. Der junge Mann erkannte, wie blind und unachtsam er war. Still am Tümpel zu sitzen, war keine vergeudete Zeit. Es war Zeit aufmerksam zu lauschen, zu beobachten, aber auch Zeit auf die Stimme seines Herzens zu hören, die man oft in der Hektik und der Unruhe des Alltags überhörte. Es war Zeit Ruhe und Entspannung zu finden von Stress und Trubel. Und er merkte auch, wie schön es war, jemanden an seiner Seite zu haben, der das alles mit einem teilte. Jemand, der still neben einem sitzen, der aber auch zuhören konnte und wenn es nötig war die Melodie seines Herzens vorsang, wenn man diese vergessen hatte. Liebevoll streichelte der junge Mann der Prinzessin durch ihr blondes Haar und meinte: „Ich werde ab nun wohl öfters hier am Tümpel Halt machen.  Lauschen, beobachten und staunen. Und es wäre wunderschön, wenn ich Euch hier wieder antreffen würde …!“

Ich wünsche euch, dass ihr immer wieder Zeit für Pausen im Alltag findet, euch dabei erholen könnt um Kraft und neue Lebensenergie zu tanken. Die Zeit des scheinbaren Nichtstuns und der Muße mag uns allen vielleicht manchmal etwas schwer fallen in einer Welt, die stetig schneller, besser und effizienter zu werden scheint. Aber gerade deshalb sind bewusste Auszeiten mit Familie, Freunden oder einfach nur mit sich selbst so wichtig! Gönnt sie euch!

Herzlichst

Cornelia