Märchen und Gedichte für die Seele

Aus Lolas Leben …

Es war einmal ein kleiner, feinfühliger Hase mit dem Namen Lola. Lola wohnte mit ihrer Hasenfamilie in einem Hasenbau neben einem kleinen Bach mitten auf einer großen Wiese. Sie hatte viele Geschwister zum Herumtollen und Spielen. Wenn die Morgensonne ihre ersten Strahlen in den dunklen Hasenbau schickte und die Hasenkinder langsam erwachten, war es vorbei mit der Ruhe. Ein Hase nach dem anderen verließ den Hasenbau.

Sie stärkten sich mit saftigem grünen Gras und nahmen einen Schluck vom erfrischenden Bachwasser, das so herrlich in der Morgensonne glänzte. Nun stand einem Tag voller Abenteuer und neuen Entdeckungen nichts mehr entgegen. Die Hasenkinder liebten es am Bach zu spielen, ließen ihr nasses Fell an der Sonne trocknen und eilten dann zum Gemüsefeld eines Bauers um ein paar Karotten zu stibitzen.

Lola war meistens mit ihren Geschwistern unterwegs. Doch manchmal sehnte sie sich auch nach etwas Ruhe und allein sein. Nur in der Stille hatte sie Zeit zum Nachdenken. Und so beschloss Lola einmal einen Tag Pause vom Alltag mit Geschwistern, Abenteuern und Entdeckungsreisen zu nehmen. Sie packte ihren Rucksack, verabschiedete sich von den anderen und  machte sich auf den Weg. Die kleine Häsin liebte ihre Familie über alles, manchmal brauchte sie aber auch etwas Abstand von alle dem um ihre Gedanken sortieren zu können und mal auf keinen anderen Rücksicht nehmen zu müssen als auf sich selbst. Eine Familie war der größte Reichtum, fand sie. Dort geborgen aufzuwachsen, einen Ort zu haben, an dem man immer willkommen ist, war wunderschön. Es bedeutete aber auch Rücksicht auf die anderen Familienmitglieder nehmen zu müssen und manchmal eigene Wünsche hintenan zu stellen.

Lola hoppelte über Baumwurzeln und Tannenzweige, hing dabei ihren Gedanken nach und merkte gar nicht wie weit sie sich schon vom Hasenbau entfernt hatte. Plötzlich blieb sie stehen und sah sich um. Die Umgebung war ihr fremd und unbekannt. Sie bekam ein bisschen Angst, hoffentlich würde sie wieder zum Hasenbau zurückfinden. Da sprach sie plötzlich jemand an: „Kleiner Hase, wo willst du hin!?“ Lola erschrak im ersten Moment, aber die Stimme war freundlich und angenehm. Erst jetzt sah sie den kräftigen Bären vor seiner Höhle sitzen. „Ach, ich habe kein bestimmtes Ziel vor Augen.“, meinte Lola. „Ich weiß im Moment nicht so genau, wohin mich mein Weg führt. Ich möchte nur am Abend wieder bei meiner Familie sein.“ „Dann hast du ja noch etwas Zeit.“, sagte der Bär und fragte neugierig: „Was trägst du da schweres in deinem Rucksack?“ Zuerst wollte Lola nichts von ihrem Inhalt, der sich im Rucksack befand, erzählen. Verlegen meinte sie: „Nichts besonderes!“ Der Bär zeigte sich aber interessiert und schien vertrauenswürdig zu sein. So öffnete Lola ihren Rucksack und begann zu erzählen … Es waren ganz viele Gedanken, Sorgen, Ängste und Altlasten, die sie sehr lange in ihrem Rucksack gesammelt, gestapelt und mit sich herum getragen hatte. Lola merkte, dass es so gut tat darüber zu reden. Und mit dem Reden schien der Rucksack auf einmal viel leichter zu werden … Die Zeit verging dabei wie im Flug, es begann schon zu dämmern und Lola musste sich unbedingt auf den Heimweg machen. Sie bedankte sich bei dem Bären und hoppelte leichtfüßig zu ihrem Hasenbau.

Von nun an besuchte Lola öfters den Bären. Sie war sehr dankbar, dass der Bär ihr Aufmerksamkeit und Zeit schenkte und immer ein offenes Ohr für sie und ihre Angelegenheiten hatte. Manchmal saß er einfach nur schweigend neben ihr, ein anderes Mal hatte er liebevolle Tipps und Anregungen und selten aber doch war es nötig dem kleinen Hasen ins Gewissen zu Reden. Lola hatte den Bären sehr lieb gewonnen und zählte ihn zu ihren Freunden.

Doch eines Tages als Lola wieder vor der Höhle des Bären stand, war dieser gerade dabei sich auf den Weg zu machen. Er war kurz angebunden und murmelte etwas vor sich hin. Offensichtlich hatte er heute keine Zeit zum Reden. Lola wollte wissen, was der Grund für seinen Aufbruch war. Aber sie bekam keine Antwort. Wie das so oft war, wenn sie Interesse an dem Leben des Bären zeigte. Er war wohl der geborene Zuhörer, aber kein großer Erzähler. Manchmal kränkte das Lola und sie fragte sich, warum ihr der starke Bär wohl so wenig anvertraute. Was war der Grund dafür!?
Etwas enttäuscht, weil der Bär heute keine Zeit zum Plaudern hatte, machte sie sich auf den Heimweg. Sie hoffte, er würde beim nächsten Mal wieder mehr Zeit für sie haben. Sie wusste, dass der Bär viel um die Ohren hatte und erwartete auch nicht, dass er immer prompt für sie Zeit hatte.

Leider war aber auch beim nächsten Besuch der Bär in seiner Höhle nicht anzutreffen. „Er wird bestimmt bald zurück kommen!“, dachte Lola. Sie hatte extra ein paar selbst gebackene Kekse eingepackt, weil sie wusste, dass der Bär eine große Naschkatze war. Sie wartete sehr lange, irgendwann kam der Hunger und sie aß selbst ein paar der leckeren Kekse. Aber sie stellte fest, dass sie alleine gar nicht so gut schmeckten … Schlussendlich machte sie ihre Keksdose zu, packte sie in ihren Rucksack und hoppelte nach Hause.

Lola war sehr traurig, weil sie nicht wusste, wohin der Bär gekommen war. Etwas hatte sich verändert. Was das war, wusste sie nicht so genau. Vielleicht war etwas Wichtiges, etwas Großes in seinem Leben passiert!? Eine Träne kullerte über ihre Wange, sie wischte sie tapfer mit ihrer Hasenpfote weg. Und plötzlich kam ihr ein Satz in den Sinn, den der Bär immer zu ihr gesagt hatte:

„Alles hat seine Zeit …!“

Lola wusste, dass der Bär immer einen besonderen Platz in ihrem Herzen haben würde, sie war dankbar für die vielen Gespräche mit ihm und wollte ihn in guter Erinnerung behalten.

Ich habe den Namen Lola bewusst gewählt – er steht für LOsLAssen. Es geht uns wohl allen gleich, dass wir manchmal Gedanken, Wünsche, Vorstellungen und Menschen loslassen und veränderte, neue Lebenssituationen annehmen müssen. Das ist oft nicht leicht, fällt uns oft sehr schwer. Aber manchmal ist es wahrscheinlich notwendig etwas Altes gehen zu lassen um mit etwas Neuem beginnen zu können. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein Loslassen in Liebe und einen wunderbaren Neuanfang!

Herzlichst

Cornelia

2 Kommentare

  1. Elisabeth Einfinger

    Liebe Cornelia,
    Du hast wieder ein sehr schönes Märchen mit einem tiefen Sinn geschrieben.
    Hat mich einmal mehr zum Nachdenken bewegt. Freue mich sehr über die Möglichkeit, deine Märchen lesen zu können.
    Alles Liebe für dich und deine Familie, herzlichst Lisi und Lorenz

    • Cornelia Schaepe

      Vielen Lieben Dank! Schön, dass du dir Zeit zum Lesen nimmst und du auch den Sinn, die Botschaft hinter meinen Texten heraus liest. Auch euch beiden wünsche ich von Herzen alles Gute!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

© 2024 Märchenzeit

Theme von Anders NorénHoch ↑

%d Bloggern gefällt das: