Es war einmal eine kleine Katze. Sie spazierte frohen Mutes und gut gelaunt durch den Wald. Sie trällerte ein Lied vor sich hin und lauschte dann wieder dem Zwitschern der Vögel. Sie hatte eine Stofftasche umgehängt, darin hatte sie ihren Schatz versteckt. Vorsichtig griff sie in die Tasche hinein und prüfte, ob das Glas in dem sie ihren Schatz aufbewahrte, noch da war.

Alles gut, es war noch da. Plötzlich begann ihr Magen zu knurren und da sie gerade an einer Lichtung vorbeikam und dort eine gemütliche Bank stand, die zum Rasten einlud, machte sie eine Pause.

Kaum hatte sie alle Viere von sich gestreckt, kam eine Eule angeflogen und setzte sich auf die Lehne der Bank. „Ich beobachte dich schon eine Weile.“, sagte die Eule. „Was trägst du da in deiner Tasche? Es muss sehr kostbar sein, denn du legst die Tasche nie ab und lässt sie niemals aus den Augen.“ Das kleine Kätzchen war überrascht und etwas misstrauisch zugleich. Sollte sie der Eule von ihrem Schatz erzählen? Normalerweise sind Schätze an einem geheimen Ort vergraben und niemand darf davon wissen. Da die Eule aber einen sehr vertrauens-
würdigen Eindruck machte, holte das Kätzchen ihren Schatz aus der Tasche. Sie hob das Glas hoch, drehte es in alle Richtungen, doch wo war die kleine, bunte Raupe hingekommen, die sie gehegt und gepflegt hatte?

„Meine kleine Raupe ist weg!“, sagte das Kätzchen fassungslos zur Eule. Die alte Eule schaute zuerst etwas verdutzt, doch dann verstand sie …
„Deine kleine Raupe wird wohl zu einem wunderschönen Schmetterling geworden sein!“, meinte sie.
„Ja, und wo ist dieser wunderschöne Schmetterling jetzt!?“, fragte das Kätzchen verständnislos.
„Einen Schmetterling kannst du nicht festhalten, er fliegt von einem Ort zum nächsten. Er geht gerne auf Reisen …!“, erklärte die weise Eule. Das kleine Kätzchen saß entsetzt vor dem leeren Glas. Der Schmerz war groß. Die Trauer unendlich. Die Fassungslosigkeit grenzenlos.

„Der Schmetterling ist fort,
er ist an einem anderen Ort.
Hab Vertrauen und Mut,
dort wo er jetzt ist, da geht es ihm gut.“
tröstete die Eule.

Das kleine Kätzchen war über den Verlust der schönen Raupe sehr traurig. Die tröstenden Worte der Eule taten ihr aber gut und im tiefsten Inneren spürte das Kätzchen, dass die Eule wohl Recht hatte.
Die Raupe war weg und zu einem wunderschönen Schmetterling geworden, den sie zwar nicht sehen, nicht riechen, nicht greifen konnte. Aber gerade in der Stille hörte das Kätzchen das herzliche Lachen des Schmetterlings, spürte es den zarten Hauch eines Flügelschlages, sah es den Schmetterling im Wind tanzen, als wollte er sagen: „Sei nicht traurig, kleines Kätzchen, ich bin nicht hier bei dir, aber ich bin dir trotzdem unendlich nahe!“

Das kleine Kätzchen wusste, dass es noch eine Weile sehr traurig sein würde, weil der Verlust sehr weh tat und eine große Leere hinterließ. Der Schmetterling würde aber immer einen besonderen Platz im Herzen haben und dem kleinen Kätzchen in liebevoller Erinnerung bleiben.

Ich wünsche uns allen, dass wir uns die nötige Zeit zum traurig Sein nehmen können, wenn ein geliebter Mensch uns verlässt und hoffe aber gleichzeitig darauf, dass auch wieder unbeschwertere Tage kommen mögen.

Herzlichst Cornelia