Es war einmal ein kleiner Wichtel. Nachdenklich hockte er vor seiner Hütte, die neben einer großen Eiche stand. Er stützte seinen Kopf mit beiden Händen ab und starrte ins Leere. Die bunte Blumenwiese vor ihm nahm er nicht wahr. Er hatte auch kein Ohr für das lustige Gezwitscher der Vögel. Die Natur rings um ihn erwachte langsam aus dem Winterschlaf und der Frühling hielt Einzug im Land. Aber auch dafür hatte er keinen Blick. Seine braune Zipfelmütze, die mit weißen Blumen bestickt war, rutschte ihm weit ins Gesicht.
„Hallo kleiner Wichtel!“, begrüßte ihn der schlaue Fuchs. „Lange nicht gesehen nach diesem strengen Winter. Ich freue mich, dass nun endlich der Frühling gekommen ist und ich meinen Fuchsbau verlassen kann, um meine Freunde besuchen zu können. Was bist du aber so nachdenklich?“ „Ach“, seufzte der kleine Wichtel. „Ich warte vergebens und es ändert sich doch nichts.“
„Auf was wartest du!?“, wollte der Fuchs wissen. „Ich warte auf das große Glück, aber es scheint auf mich vergessen zu haben!“, jammerte der Wichtel. „Nun ja“, meinte da der schlaue Fuchs. „Das Glück wird dich wohl hier nicht finden. Du lebst sehr einsam und abgeschieden vom Rest der Welt. Vielleicht solltest du dich auf die Suche nach dem Glück machen …!“
Der Wichtel hob den Kopf und sagte etwas zögernd: „Möglicherweise hast du recht.“ So ging der in seine kleine, aber gemütliche Hütte, packte das Nötigste in seinen Rucksack und machte sich auf die Reise. Etwas mutlos und ohne ein Ziel vor Augen wanderte er entlang von Wiesen und Feldern. Er kam an einer Weide vorbei, auf der friedlich eine Herde Schafe graste. Als er müde war, machte der kleine Wichtel an einem schönen See eine Rast. Dabei beobachtete er eine Entenmutter, die mit ihren Kindern eine Runde schwamm. Ein Apfelbaum, der über und über mit Blüten bedeckt war, spendete ihm Schatten. Die Frühlings-
sonne wurde immer kräftiger und schön langsam bekam der Wichtel etwas Farbe. Er konnte gar nicht sagen, wie lange er schon unterwegs war. Dem Tag folgte die Nacht und dieser wiederum der Tag. Der kleine Wichtel hatte schon viel gesehen. Nur das große Glück war ihm bis jetzt nicht begegnet. Aber sein Unmut darüber war etwas weniger geworden.
Als die Dämmerung hereinbrach, beschloss er für diesen Tag seine Wanderung zu beenden und sich einen geeigneten Platz für sein Nachtlager zu suchen. Als er sich gerade gemütlich hingelegt hatte und kurz vor dem Einschlafen war, erschreckte ihn der Schrei einer Eule. „Schuhu, wer macht hier Rast unter meinem Baum?“, wollte sie wissen. Der kleine Wichtel fuhr vor Schreck hoch und meinte entschuldigend: „Ich habe nicht gewusst, dass das dein Baum ist.“
„Ach, da ist genügend Platz für uns beide“, sagte die Eule. „Ich freue mich immer über Besuch und darüber neue Bekanntschaften zu machen. Aber sag mal, kleiner Wichtel, was führt dich zu mir?“
Da begann der Wichtel zu erzählen … Dass der eigentliche Grund seiner Reise die Suche nach dem Glück sei. Er hätte schon vieles gesehen und erlebt nur das große Glück war ihm noch nicht begegnet. „Ja, weißt du denn, wie das große Glück aussieht?“, wollte die weise Eule wissen. „Nein, eigentlich nicht. Das ist ja das Schwierige an der Sache, dass ich nicht weiß nach was ich suchen soll“, gestand der kleine Wichtel. „Weißt du denn nicht, was dich glücklich macht? Was lässt dein Herz höher schlagen und deine Seele vor Freude hüpfen? Das kannst nur du für dich selbst herausfinden. Höre auf deine innere Stimme und auf dein Herz, was sie dir sagen wollen!“, sagte die Eule.
So herum hatte der kleine Wichtel die Sache noch nie gesehen. Aber vielleicht war das der richtige Ansatz, um seiner Reise ein Ziel, eine Richtung zu geben. „Ich werde darüber nachdenken. Danke für diesen wertvollen Hinweis!“, entgegnete der kleine Wichtel.
Obwohl er sehr müde war, konnte er lange nicht einschlafen. Die Worte der Eule gingen ihm noch eine Zeit lang durch den Kopf. Schon beim Morgengrauen brach er auf. Ganz genau wusste er noch nicht, welche Richtung seine Reise nun nehmen würde. Als er gerade dabei war, sich auf seine innere Stimme zu konzentrieren und lauschte, was sein Herz ihm sagen wollte, bemerkte er gar nicht, wohin ihn seine Reise geführt hatte …
Überrascht hob der kleine Wichtel seinen Kopf und sein Herz machte dabei einen Freudensprung. Er erkannte die alte Eiche und seine gemütliche Holzhütte, die er vor geraumer Zeit verlassen hatte. Da seine Beine müde waren, setzte er sich auf die Bank vor seiner Hütte. „Ach, wie schön zu Hause ange-
kommen zu sein!“, seufzte er. „Es ist wohl doch der schönste Fleck auf der ganzen Erde!“
Der kleine Wichtel erfreute sich an der wunderschönen Blumenwiese vor seinem Haus. Plötzlich nahm er den angenehmen Duft der Blumen wahr und hörte das Gezwitscher der Vögel. Es klang wie ein Konzert in seinen Ohren …
Durch das Warten auf das große Glück, versäumte der kleine Wichtel das kleine Glück. Er sah in den kleinen Dingen des Alltags nichts Besonderes und nahm diese gar nicht erst wahr. Aber sich gerade an diesen alltäglichen Kleinigkeiten erfreuen zu können, die oft zu einer Selbstverständlichkeit werden, ist wohl die Kunst, die zum Glücklichsein führt.
„Wer die Kostbarkeit des Augenblicks entdeckt, findet das Glück des Alltags.“
(Adalbert Stifter)
In diesem Sinne wünsche ich dir, dass du viele Kleinigkeiten in deinem Leben entdeckst, die dich glücklich machen.
Alles Liebe
Cornelia
Danke für die nette Geschichte, liebe Cornelia!